Ein Geschenksäbel für Graf Schlieben

Neben den von allerhöchsten Herrschaften gewidmeten Geschenkwaffen durften gemäß der Offizier-Bekleidungsvorschrift auch Waffen, die von einem Offizierskorps verehrt wurden, im Alltag offiziell geführt werden. Nachdem in Nr. 491 (Januar/März 2024) der Zeitschrift für Heereskunde ein von einer Prinzessin von Preußen gewidmeter Säbel vorgestellt wurde, soll heute ein besonderes Offiziersgeschenk an einen Offizier im 1. Garde- Ulanen-Regiment dargestellt und Beschenkter wie Schenkende etwas beleuchtet werden.(1)

Abb. 1: Der in der Scheide versorgte Geschenksäbel.

Abb. 2: Der Geschenksäbel ohne Scheide.

Ein preußischer Löwenkopfsäbel für Offiziere der Kavallerie, 102,5 cm lang, Klingenlänge 86 cm, Klingenbreite 3,1 cm, 950 Gramm schwer; leicht gekrümmte, teils vergoldete Steckrückenklinge mit Schör, Echt-Damast, reich geschmückt mit Blattwerk und Sagengestalten wie Mars, Athene, Medusa und Sphingen. Das aufwendig gearbeitete vergoldete Messinggefäß mit Löwenkopf-Knauf, unterhalb des Löwenkopfes das Wappen der Grafen v. Schlieben, auf dem terzseitigen Parierlappen aufgelegt ein silberner Gardestern, quartseitig die Namen der schenkenden Offiziere, unterhalb der Parierlappen terzseitig mit „Eisenhauer Aecht Damascstahl“ und quartseitig der Hersteller „Ferd. Muhm Berlin“, Rochenhautgriff mit Drahtwicklung.(2)

Abb. 3: Der auf dem Parierlappen aufgelegte Gardestern, die Klingeninschrift „Eisenhauer Aecht Damascstahl“ sowie ein Teil der Klingenverzierung.

Abb. 4: Der römische Kriegsgott Mars auf der Klinge.

Abb. 5: Die griechische Göttin Athene war unter anderem die Göttin der Weisheit, der Strategie und des Kampfes.

Der Beschenkte

Der Beschenkte ist durch das unterhalb des Löwenkopfes befindliche Wappen der Grafen von Schlieben im Zusammenhang mit den ebenfalls vermerkten schenkenden Offizieren identifizierbar. Es handelt sich um George Ludwig Gustav Graf von Schlieben. Er wurde am 28. Januar 1831 zu Sanditten in Ostpreußen geboren, sein Vater war der Majoratsherr Gustav Graf v. Schlieben. Seine Mutter Luise, geb. v. Klinckowström.

Abb. 6: Das unterhalb des Löwenkopfes befindliche Wappen der Grafen von Schlieben.

Abb. 7: Wappen der Grafen von Schlieben - "Tyroff; Wappenbuch des höheren Adels der deutschen Bundesstaaten 1846-1865"

Mit Aussicht auf Beförderung trat George am 16. Mai 1848 in das 3. Kürassier-Regiment ein. Ein Jahr später, am 22. April 1849 trat er zum 1. Garde-Ulanen-(Landwehr-) Regiment über, wurde am 10. Mai Portepeefähnrich und am 15. September zunächst zum aggregierten Sekondeleutnant ernannt und am 24. Mai 1850 einrangiert. Seine aktive Dienstzeit war nicht von langer Dauer. Am 14. April 1857 wurde er á la suite des Regiments gestellt, am 13. März 1858 noch zum Premierleutnant ernannt und am 13. April bereits verabschiedet und zu den beurlaubten Offizieren der Garde-Landwehr-Kavallerie überführt. Er residierte die kommenden Jahre auf Götzendorf bei Wehlau in Ostpreußen. Am 13. November 1859 wurde George zum Rittmeister der Garde-Landwehr-Kavallerie befördert und am 16. Februar 1863 Ehrenritter des Johanniterordens.

Mit Ausbruch des Deutschen Krieges 1866 wurde George für die Dauer des mobilen Verhältnisses wieder dem Regiment aggregiert und als Ordonnanzoffizier zum Hauptquartier des Kavalleriekorps unter dem Kommando von Prinz Albrecht v. Preußen (1809–1872) kommandiert. Zu diesem Korps gehörte auch Georges altes Regiment. Er nahm an der Schlacht bei Königgrätz teil und wurde mit dem Roten Adlerorden 4. Klasse mit Schwertern dekoriert. Anschließend war er noch kurz als Adjutant beim Generalgouvernement Böhmen tätig um am 7. September 1866 wieder in das Beurlaubtenverhältnis zurückzutreten.

Für den Feldzug 1870/71 wurde George wiederum reaktiviert und nahm als Adjutant der 4. Reservedivison unter dem Kommando von Generalleutnant Wilhelm von Schmeling (1811–1879) an den Belagerungen von Schlettstadt, Neu-Breisach und Belfort teil und erwarb sich das in diesem Feldzug noch sehr seltene Eiserne Kreuz 1. Klasse. Am 25. März 1871 erhielt George den Charakter als Major; eine kurze, aber doch recht erfolgreiche militärische Karriere, der eine ihr sehr weit bringende zivile Karriere folgen sollte.

Nachdem sein Vater am 28. Oktober 1874 verstorben war, erbte George nicht nur die Majoratsherrschaft Sanditten, er wurde auch erbliches Mitglied des preußischen Herrenhauses und 1887 Schlosshauptmann von Königsberg. 1894 wurde ihm zudem das Prädikat „Exzellenz“ verliehen, was ihn vom zivilen Rang her einem Generalleutnant gleichstellte. Am 24. Februar 1906 ist George Graf v. Schlieben in Berlin verstorben.

Die Schenkenden

Quartseitig auf dem Parierlappen findet man die Namen der schenkenden Offiziere:

v. Möllendorff I.

v. Rundstedt

v. Risselmann

v. Gundlach

Frhr.v. Eller-Eberstein

Gr. v. Pölzig

v. Zanthier

Frhr.v. Zedlitz II.

v. Möllendorff II.

Abb. 8: Auf dem terzseitigen Parierlappen befindet sich ein silberner Gardestern, der auf die Zuordnung des Beschenkten zu einem Garde-Regiment hinweist.

Abb. 9: Auf dem quartseitigen Parierlappen befinden sich die Namen der schenkenden Offiziere.

Diese neun Namen lassen uns einen guten Blick auf die Sozialstruktur der preußischen Garde-Kavallerie Mitte des 19. Jahrhunderts werfen. Die Offiziere waren ausnahmslos adeliger Herkunft, „Konzessions-Schulzes“ gab es noch nicht. Diese zumeist Gutsbesitzersöhne dienten ein paar Jahre aktiv, wohl bis der „scharfe Wind an der Majorsecke“ zu spüren war oder der Platz auf dem Rittergut frei wurde und gingen dann auf ihre „Klitsche“. Teilweise war dies auch mit weiteren karitativen und regionalpolitischen Aktivitäten und Funktionen verbunden. Nur vier der neun schenkenden Offiziere waren langjährige Berufsoffiziere, die der „scharfe Wind an der Majorsecke“ nicht umgehauen hat. Drei davon brachten es immerhin zum General. Im Folgenden sollen die Offiziere in der auf dem Parierlappen verzeichneten Reihenfolge skizziert werden. Der angegebene Dienstgrad ist der zum Zeitpunkt der Verabschiedung des Grafen v. Schlieben aus dem seit 1851 als 1. Garde-Ulanen-Regiment bezeichneten Regiment:

Sekondeleutnant Otto v. Möllendorff (1829–1894), 1849 ins Regiment eingetreten, 1863 als Premierleutnant und Halbinvalide zu den beurlaubten Offizieren der Landwehr übergetreten, Fideikommissherr auf Krampfer, Simonshagen und Klein-Gottschow in der Mark Brandenburg.

Sekondeleutnant Werner v. Rundstedt (1827–1903), 1847 ins 2. Garde-Regiment zu Fuß eingetreten, 1848 zu den 1. Garde-Ulanen übergetreten, 1856 den erbetenen Abschied erhalten, Gutsbesitzer auf Badingen bei Stendal und zog später nach Hannover.

Sekondeleutnant August v. Risselmann (1828–1886), 1850 ins 1. Garde-Ulanen-Regiment eingetreten, 1860 zum 2. Garde-Dragoner-Regiment versetzt, als Rittmeister verabschiedet, Gutsbesitzer auf Görbitsch; Kirchen- und Schulpatron auf Görbitsch und Hildesheim, Ritterschaftsrat am Kur- und Neumärkischen Ritterschaftlichen Kreditinstitut, Amtsvorsteher, Standesbeamter und Kreisdeputierter im Landkreis Weststernberg und Abgeordneter zum Provinziallandtag der Provinz Brandenburg.

Premierleutnant August v. Gundlach (1824–1891), 1849 ins Regiment eingetreten, 1859 als Rittmeister den erbetenen Abschied erhalten, sein weiterer Lebensweg ist in der Offiziersstammliste nicht erwähnt und ließ sich auch nicht ohne größeren Aufwand recherchieren.

Premierleutnant Carl Freiherr v. Eller-Eberstein (1830–1908), 1847 ins Regiment eingetreten, später Generalstabsoffizier, Kommandeur des Husaren-Regiments Nr. 11, dann als Kommandeur ins 1. Garde- Ulanen-Regiment zurückgekehrt und folgend Kommandeur der 15. Kavallerie- Brigade, 1882 als charakterisierter Generalleutnant verabschiedet.

Oberst z. D. Alexander Graf v. Pölzig, Freiherr v. Hanstein (1804–1884), diente zuerst im Militär des Königreichs Sachsen, der Herzogtümer Sachsen-Coburg-Saalfeld und Sachsen-Meiningen und trat 1834 in preußische Dienste, von 1852–1854 war er Georges Regimentskommandeur, nahm als Oberst seinen Abschied.

Rittmeister Frommhold v. Zanthier (1823–1883), 1840 eingetreten, 1861 mit Charakter als Major den erbetenen Abschied erhalten, Rittergutsbesitzer auf Tülnitz bei Damgarten (Provinz Pommern).

Sekondeleutnant Adolph Freiherr v. Zedlitz II. – später Freiherr v. Zedlitz-Leipe (1826–1906), 1844 ins Regiment eingetreten, nach 16 Jahren ins 2. Garde-Dragoner-Regiment versetzt, später als Etatsmäßiger Stabsoffizier ins 1. Garde- Ulanen-Regiment zurückgekehrt, dann Kommandeur der 2. Garde- Dragoner, der 22. Kavalleriebrigade und der 1. Garde- Kavalleriebrigade, 1883 mit Charakter als Generalleutnant zur Disposition gestellt.

Sekondeleutnant Fritz v. Möllendorff (1831–1905), zuerst 20 Jahre im Regiment, dann u.a. Kommandeur des Kürassier- Regiments Nr. 6 und Kommandeur der 3. Kavalleriebrigade, 1883 verabschiedet, erhielt 1887 den Charakter als Generalleutnant.

Die schenkenden Leutnante verteilen sich laut den Ranglisten der preußischen Armee auf verschiedene Eskadronen, sind aber größtenteils etwa gleichaltrig gewesen. Zudem sind ein ehemaliger Regimentskommandeur sowie mit Rittmeister v. Zanthier ein Eskadronschef verzeichnet. Deshalb anzunehmen, dass sich die Schenkenden zum einen aus Altersgenossen des Grafen v. Schlieben zusammensetzten und zum anderen aus Offizieren, mit denen er dienstlich zu tun hatte.

Literatur:

Rang- und Quartierliste der preußischen Armee, verschiedene Jahrgänge

Königlich Preußische Ordensliste, diverse Ausgaben

Deutscher Reichs- und königlich preußischer Staatsanzeiger, diverse Ausgaben

Deutscher Ordensalmanach 1904/05

Fünfundsiebzig Jahre des königlichen 1.Garde-Ulanen- Regiments 1819-1894, Theil II Personalien, bearbeitet von v. Arenstorff, PremLt d.Res., Mittler, Berlin 1898”

Anmerkungen:

1) Siehe Offizier- Bekleidungsvorschrift 1911 S. 42, Pkt. 49.

2) Abgebildet und knapp beschrieben in: Jordan, Alexander/Raksch, Dietmar/Schiers, Ulrich: Kleine Geschenke erhalten die Freundschaft – Offiziersgeschenke aus zwei Jahrhunderten. Rastatt 2015, S. 36f.

3) „Der älteste Hauptmann steht immer an der Majorsecke und da weht eben ein scharfer Wind, der manchen umwirft.“; angeblich einer Reichstagsrede Wilhelm Loewes entnommen, bereits 1873 als Titel eines Lustspiels von Ernst Wichert „An der Majorsecke“ übernommen

Alle Fotos: Verfasser

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